Freitag, 20. Juli 2012

Sehnen nach oben

Mein Bauch hat keinen Hunger jeh gekannt
und Durst nicht meine Kehle.
In meinem Herzen wohnt jemand,
und doch, wie kommt's, dass ich mich quäle?
Es geht mir gut, ich leide nicht,
es scheint, wie ich vermute, mir an nichts zu fehlen,
ich schlafe, wenn die Nacht anbricht,
und finde Zeit, bei Tag
die Blumen an dem Wegesrand zu zählen.
Ich habe Freunde, die ich mag,
und die mich gleichsam mögen;
woran mag es mir fehlen?
Manch kleinen Wunsch hab ich mir selbst erfüllt,
und für die großen Wünsche fand ich Segen.
Ich fühl mich seltsam eingehüllt,
und sicher auf den meisten Wegen.
Ich frag' dich, meine bange Seele,
wie kommt's, dass ich mich quäle?
Ist es denn unwahr, dass ich alles habe?
Das ist es nicht, denn reich sind meine Tage.
Mir ist, als mache Gott sich überflüssig,
wenn man den Mangel nicht mehr hat.
Muss er nicht eifersüchtig sein, und überdrüssig,
dass ich, der alles hat, so selten nach ihm frage?
Was quäl' ich mich, statt Dankbarkeit zu zeigen?
Er gab mir alles, doch die Sehnsucht,
und die Liebesqual nach dem, was oben ist,
will nicht dem Ende zu sich neigen.
So ist denn der, der alles hat, am Ende auf der Flucht,
und will zurück zu dem, was wichtig ist,
als wäre alles erst der wahre Grund,
warum man seinen Gott vermisst,
und ihn voll Sehnen wieder sucht.

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