Dienstag, 31. Juli 2012

Männer im Baumarkt

Ein humorvoller Blick auf meine Geschlechtsgenossen:

Reinhard Mey nimmt auf fabelhafte Weise deutsche Lieder (auch seine eigenen) aufs Korn, und auch so manchen echten Mann im Baumarkt. Herrlich.

Freitag, 20. Juli 2012

Verliebt

Noch an jedem neuen Morgen
hab' ich mich in dich verliebt,
und ich will mein Herz dir borgen,
wenn du’s mir nicht wiedergibst.

Zarte, liebevolle Gesten
sind nicht gerne unter sich,
deshalb schwör’ ich, schon am nächsten
Tag verlieb’ ich dich in mich!

Nebensächlichkeiten


Wenn ich meine Texte lese,
fällt mir etwas daran auf.
Und dann formt sich mir die These,
dass ich öfter Schwermut brauch’.
Immer greif’ ich nach den großen Themen,
nach der Liebe, Gott und Leiden,
kann mich selten nur bequemen
mit den Nebensächlichkeiten.
Schreib’ ich jemals über Wetter,
oder über Müßiggang?
Etwas seichtes wär’ doch netter,
und es käm’ bestimmt auch besser bei euch an.
Glaubt mir, gern würd’ ich berichten
von den Spatzen und den Vögelein.
Doch kaum setz’ ich mich zum Dichten
hin, fällt mir dazu weiß Gott nichts ein.
Wäre ich Schiller oder Goethe,
so schrieb’ ich über Ibycus.
Ich bin zwar bestimmt nicht blöde,
aber sowas...? Nicht mal, wenn ich muss!
Für Gedichte über Weltkrieg
bin ich leider viel zu spät geboren.
Und - ganz postmodern - fehlt mir der Antrieb
daran noch herumzubohren.
Bin ja sicherlich nicht mundfaul,
rede täglich Satz um Satz.
Doch ich hab nun mal kein Fundmaul,
und bin auch nicht Ringelnatz.
Schuster, bleib bei deinen Leisten,
heißt ein altes Flügelwort,
Schenkelklopfer sind die meisten,
und auch davon will ich fort.
Schüttel-, Kreuzreim, Mittel-, Stabreim
hab ich alles brav gemacht,
tät’ ich nun noch etwas Care rein,
hätte sicher irgendwer gelacht.
(Dass man das mit  “tun” und “machen”,
so wie eben, gar nicht tut,
ist gewisslich nicht zum Lachen,
doch - herrje! - es reimt sich wirklich gut!)
Da bemerke ich gerade,
dass ein Meisterwerk gelungen!
Ja, um keinen Vers wär' es mir schade,
keiner ist von Sinn durchdrungen!
Nebensächlichkeit - lass dich umarmen,
gib mir einen dicken Kuss!
Doch dich, Leser, will ich gründlich warnen:
Für den einen ist es eine Krux,
für den andern Nebensächlichkeiten.
Über Geschmack lässt sich jedoch nicht streiten.

Lesen, Lieben, Denken, Sein

Lesen, Lieben, Denken, Sein,
müssen Wege finden.
Fällt mir nicht auf alle Fragen eine Antwort ein,
Lesen, Werden, Denken, Lieben,
werde ich mir meinen Gott verbiegen?

Schwer wiegen die Warnungsworte eines Freundes,
treiben meine Seele um.
Kann mich nicht daran erfreu’n, es
ist der Hinweis, ob es stimmt,
dass mein Gott nun meine Wege nimmt.

Kann man seine Augen schließen,
und nicht in die Tiefe geh’n?
Freundschaft heißt auch Blutvergießen,
Mut und Ehrlichkeit sind rar.
Fragen an den Menschen, der ich gestern war.

Hab ich mich versklaven lassen,
oder habe ich versklavt?
Darf ich mir den Mut anmaßen
achtlos über Grenzen nun zu lieben,
oder heißt das, nahe Ufer unerreichbar fortzuschieben?

Bin ich stumm und taub geworden
gegenüber dem, was zählt?
Welcher Geist wohnt in den Worten
die ich rede, die du sprichst?
Glaub’ ich, dass du etwas wichtiges vergisst.

Werd’ ich bleiben bei den Bildern,
die mir meine Lebenswege
von dem Einen, der da ist, bunt schildern?
Nein, sagst du, doch ich will meinen:
mir steht auch wirklich nicht der Sinn nach deinen.

Lesen, Lieben, Denken, Bleiben,
und ich lass das zweite nicht.
Werden wir uns oft noch dran zerreiben,
weiß ich, dass mein Gott mich liebt!
Fragt sich, wer hier wen verbiegt.

Der Moment

[Dies ist eine Kurzgeschichte und damit ein Genre, in dem ich weniger geübt bin. Ich bitte um Nachsicht.]
Ich stehe in einer Warteschlange eines Supermarktes an. Es könnte jeder Supermarkt in Deutschland sein. Der Piepton des Kassenscanners markiert, einem EKG gleich, den Herzschlag des Geschäfts. Die müde dicke Verkäuferin mit den orange-rot gefärbten Haaren zieht - selbst wie eine Maschine - Artikel über das Band. Es ist bereits Abend und man kann es den Menschen vor und hinter mir ansehen. Ein junger Mann mit schütterem Bart in schwarzer Kleidung hat vor mir sechs große Büchsen mit Nudelsuppe auf das Warenband gelegt. Er spielt auf seinem Mobiltelefon, während sein Mittagessen der kommenden Woche Zentimeter um Zentimeter nach vorne rückt. Hinter mir versucht eine übernächtigte junge Mutter mit schwarzgelockten Haaren ihre kleine Tochter auf dem Arm zu halten, während die Kleine die Anordnung der Artikel in Unordnung bringt. Die Mutter  legt sie seufzend über die andere Schulter, und die Aufmerksamkeit des Kindes wendet sich den Kaugummis zu. Vor dem schwarz gekleideten Computerfreund steht ein türkisches Ehepaar. Der Mann, dessen graue Haare unter einem weißen Mützchen hervorschauen, muss etliche Jahre älter sein als seine Frau, die den Wagen schiebt und dann und wann ordnend Zwiebeln, Knoblauch, Seife oder Kartoffeln neu sortiert. Zwischen den Fingern dreht sie und einen Pfandschein. Ihr Mann stellt sich an die Brüstung kurz vor der Kasse. Sein graumelierter Schnurrbart wackelt hin und her, dann verschränkt er die Arme und sein Blick wandert streng und sinnend durch den Supermarkt. Beruhigend gleichförmig piept der Warenscanner unter den behänden Fingern der Angestellten. Sie fährt sich geistesabwesend durchs Haar, beiläufig. Ein Leberfleck auf ihrer Oberlippe zuckt zufrieden bei jedem Artikel, dessen Name auf der grünen Anzeige der Kasse aufblitzt. Ein Afrikaner läuft hilflosen Blickes durch die Getränkeabteilung, in seiner Hand ein Beutel mit unbestimmtem Inhalt. Indessen haben die beiden Männer an der Kasse, sie müssen in etwa 30 Jahre alt sein, ihre gute Mühe damit die erfassten Artikel wieder in den Wagen zu sortieren, der sich bereits beträchtlich gefüllt hat. Abwechselnd und harmonisch wie Noten einer Symphonie greifen sie nach den Taschentüchern, Teigwaren, Gewürzen, Äpfeln, Eiern, Getränken und allem anderen, was die Kassiererin mit geübtem Griff in Windeseile über die piepende Glasfläche vor ihrer Brust gleiten lässt. Schließlich kommt das Band zum Stehen und ein schier endlos langer weißer Zettel windet sich aus dem kreischenden Kassendrucker. Die Kassiererin pflückt ihn mit ihren spitzen Fingern, in einem Akt der Erhabenheit verkündet sie den den Preis. Einer der beiden Männer (der mit den schwarzen Haaren) zieht eine lederne Geldbörse aus seiner Tasche und beginnt darin zu suchen. Indessen schiebt der andere (mit den braunen Haaren) den Wagen an einen kleinen Tisch hinter der Kasse und packt leere Beutel und Taschen aus. Die beiden könnten Brüder sein, oder vielleicht wohnen sie in einer WG, oder sie feiern an diesem Tag eine Party mit Freunden. Inzwischen hat sich das Band wieder in Bewegung gesetzt unter den ungeduldigen Blicken des türkischen Schurrbartträgers, dessen Frau nun emsig weitersortiert, in einer Hand das Portemonnaie haltend. Der krausbärtige Spielefreund vor mir entlockt seinem Gerät belohnende Kakophonien, während seine Suppenbescherung unbeeindruckt hin und her schaukelt. Derweil prüft der schwarzhaarige Mann hinter der Kasse konzentriert den schier unendlichen Kassenzettel, mit dem Finger jeden Listenpunkt abfahrend. Sein Gefährte beginnt damit, den Einkauf in Tüten zu verstauen. Die türkische Kundin wirft die letzte Packung in ihren Einkaufswagen und streckt der Kassiererin eine bunte Plastikkarte entgegen. Diese reibt sie gegen ihren roten Anzug und schiebt sie in den Kartenleser. Wieder piept es. Indessen schaut der türkische Gatte ungeduldig zum Ausgang. Der junge Mann, ich nenne ihn inzwischen den "Dunklen" und den anderen den "Hellen", verstaut den ewigen Zettel in der Hosentasche und geht um den Hellen herum zu seinem Einkaufswagen. Dabei streicht seine Hand sanft über die Rückentaille des Hellen, wo sie ganz kurz verweilt. Also ist es Liebe, denke ich. Keiner nimmt den Moment der Nähe wahr, schon stehen die beiden jungen Männer nebeneinander und nehmen die Tüten aus den Pappverpackungen, um Platz zu sparen. Die Türkin hat sich zwischenzeitlich zur Kassiererin für eine Unterschrift gebeugt und eilt - den Wagen vor sich her bugsierend - ihrem Mann zum Ausgang hinterher. Der Krausbärtige vor mir schreckt aus seinem Spiel auf, die Kassiererin hat eine Frage an ihn gerichtet. Er kratzt sich die Wange. Ob das alles sei, oder ob noch etwas dazukomme, will die Verkäuferin mit Nachdruck von ihm wissen. Er schüttelt verneinend den Kopf und stellt die Büchsenreihe zurück in den Wagen. Dann bezahlt er. Ich bin an der Reihe. Als ich den Supermarkt verlasse, komme ich noch einmal an den beiden jungen Männern vorbei. Der Dunkle setzt dem Hellen den Rucksack auf. In meinem Gedächtnis ruht eine Erinnerung, unscheinbar wir ein uneingelöstes Pflaschenpfandzettelchen. Der Moment einer Zuneigung.

Hohegedicht

Will ich an etwas schönes denken,
ich denk' an einen Morgen,
an dem sich meine Blicke auf dich senken,
auf dich, an dessen Schultern ich mich eben noch geborgen.
Ich sehe in die erdenbraun
betörend schönen Augen,
und kann nicht aufhör'n hinzuschau'n,
und kann mein Glück kaum glauben.
Alles an dir erscheint mir vorteilhaft:
Dein scheuer Lippenbogen -
wie ein Lindenblatt -
der Küsse Wohnstatt, Quelle liebesheißer Kraft.
Darüber wandert, wie ein Höhenpfad,
die treue Nase mit dem leichten Knick,
und drunter, wie bei Nacht das Steppengras,
sprosst auf dein Bart. Mann - du bist schick!
Ich streune durch die Wiesen, wo ich einen Kuss vergaß,
zu deinen edlen roten Wangen.
Und wie ein Löwe nahe ich mich ihnen, bis auf einen Atemhauch.
Bin hoffnungslos von deinem würzig-süßen Duft befangen,
ich flüstere: Ich liebe dich! Und du sagst: Ich dich auch.
Dann muss mein Herz an deinem Herzen ruhen,
und meine Stirn lehnt an die deine,
um sich darauf an deiner ebenklaren Augenbraue gut zu tun.
Dein kurzes Haar, wie schwarze Seide,
spielt um die Finger, wenn ich über deinen Nacken streife,
und meine Hand an Amors Bogen,
deinem Schlüsselbein, auf deiner Brust, nicht fern von deinem Herzen weide.
Wirst du mich kraftvoll an dich pressen,
bin ich nicht um ein Glück betrogen.
Ist doch die Seele tausendschöner noch bemessen,
als dein bebend heißer Leib.
Nach beidem steht mein Sinn:
Dein Körper ist der Liebe süßer Zeitvertreib,
doch ist's der ganze Mann, mit dem ich
unvergleichlich
glücklich bin.

Sehnen nach oben

Mein Bauch hat keinen Hunger jeh gekannt
und Durst nicht meine Kehle.
In meinem Herzen wohnt jemand,
und doch, wie kommt's, dass ich mich quäle?
Es geht mir gut, ich leide nicht,
es scheint, wie ich vermute, mir an nichts zu fehlen,
ich schlafe, wenn die Nacht anbricht,
und finde Zeit, bei Tag
die Blumen an dem Wegesrand zu zählen.
Ich habe Freunde, die ich mag,
und die mich gleichsam mögen;
woran mag es mir fehlen?
Manch kleinen Wunsch hab ich mir selbst erfüllt,
und für die großen Wünsche fand ich Segen.
Ich fühl mich seltsam eingehüllt,
und sicher auf den meisten Wegen.
Ich frag' dich, meine bange Seele,
wie kommt's, dass ich mich quäle?
Ist es denn unwahr, dass ich alles habe?
Das ist es nicht, denn reich sind meine Tage.
Mir ist, als mache Gott sich überflüssig,
wenn man den Mangel nicht mehr hat.
Muss er nicht eifersüchtig sein, und überdrüssig,
dass ich, der alles hat, so selten nach ihm frage?
Was quäl' ich mich, statt Dankbarkeit zu zeigen?
Er gab mir alles, doch die Sehnsucht,
und die Liebesqual nach dem, was oben ist,
will nicht dem Ende zu sich neigen.
So ist denn der, der alles hat, am Ende auf der Flucht,
und will zurück zu dem, was wichtig ist,
als wäre alles erst der wahre Grund,
warum man seinen Gott vermisst,
und ihn voll Sehnen wieder sucht.

Sechs Tage - Sechs Texte

Was für eine bewegende Woche! Das meine ich ernst. Und wie immer, wenn ich bewegt bin, schreibe ich. Deswegen kriegt ihr jetzt Daniels Wochenmarathon: Sechs Minuten - Sechs Tage - Sechs Texte. Warum nur sechs? Na, am siebten Tag ruhte der Herr!

Also, los geht's!

Montag, 9. Juli 2012

Ich würd' es wieder tun!

"Würden Sie uns empfehlen?", so fragt mich ein Fragebogen eines Hotels, um die Qualität der Dienstleistung zu verbessern. Die Frage ist spannend, wenn es darum geht, was man tun und was man lassen sollte. So ist es in Frankreich Brauch, bei Rot über Fußgängerampeln zu gehen. Würden Sie das Ihren Kindern empfehlen? Selbstverständlich nicht. Ganz generell stellt sich die Frage, ob man etwas tun sollte, was man seinen Kindern nicht raten würde. Das Alte Testament fasst diesen Ratschlag im Gebot der Nächstenliebe zusammen, das sich frei übersetzt nach: "Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem andren zu."

Ich frage mich, wie die Welt aussähe, wenn es mehr in Mode käme, seine Handlungsweise zu hinterfragen, ob sie empfehlenswert ist. Nur wegen der Qualitätssicherung und so...

Aber dieser Blog-Post soll jetzt nicht vor Schwermut und Weltverbesserungsgedusel überquellen. Ich bin nach meinem Urlaub gut erholt wieder da und strotze nur so vor Schaffensdrang! (Ich habe mir sogar ein Ausrufezeichen gegönnt...)

Deswegen bekommt ihr von mir ein Lied, und ein Urlaubs-Bild:

Ich war in:
Nîmes


und ich würd' es wieder tun: