Montag, 7. Juli 2014

CSD Köln 2014

Am vergangenen Wochenende gipfelte in Köln der Christopher Street Day (CSD) in einer großen Parade. Bei gutem Wetter schlenderte eine wahrhaft bunt gemischte Menschenmenge zum Umzug: Familien mit Kindern, Drag Queens (und Kings), Grüppchen von Junggesellinnen, Ledermänner, miteinander ergraute Ehepaare, ... Kurzum: Ein großes Spektakel des Lebens und Leben-Lassens.

Zwei Kilometer weiter eine andere Welt. In der U-Bahn-Station Kalk-Post hält sich eine Gruppe junger Deutsch-Türken auf. Jeder scheint möglichst lautstark darauf bedacht, sich zu profilieren und Eindruck zu schinden. "Ey, der da geht bestimmt auch zu dieser Schwulen-Veranstaltung!" ruft einer. Ein anderer stachelt ihn auf: "Gehst du zu den Schwulen?! Du gehst doch selber zu den Schwulen!" Es entsteht ein längeres hin und her von gegenseitiger Bezichtigung, dass einer zur Parade ginge, und selbstverständlich weist ein jeder den Verdacht weit von sich - alles halb Scherz, halb Ernst. Offensichtlich will keiner von ihnen etwas mit "denen" zu tun haben, doch man spürt ihnen die heimliche Neugier und vielleicht auch etwas Faszination ab. Ihr Gespräch kehrt immer wieder zum scheinbar Verbotenen zurück. Innerhalb dieser Gruppenkonstellation wird wohl keiner von ihnen den Mut und das Selbstbewusstsein aufbringen, drei Stationen weiter zu fahren und sich einfach sein eigenes Bild zu machen. Ich bedaure sie heimlich wegen der Grenzen, die ihnen ihre Kultur und Sozialisation gesetzt hat.

Ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn sich einer von ihnen tatsächlich zur Parade traute. Wie würde er reagieren auf eine über 2 Meter hohe und verbal schlagfertige Drag Queen? Was sollte er von einem der muskelbepackten "Bären" halten, dessen fast schon überzeichnete Männlichkeit so gar nicht dem Vorurteil der "weibischen Tunte" entspricht? Welche Gedanken würde er haben angesichts von Menschen, die sich eben nicht auf den ersten Blick einem männlichen oder weiblichen Rollenbild zuordnen lassen, für die diese Bezeichnungen womöglich ganz und gar unpassend sind? Ich muss lächeln bei dem Gedanken, dass die meist gut parfümierten, perfekt frisierten und sehr auf ihr Äußeres bedachten Jung-Türken ja unfreiwillig selbst ins Klischee des effeminierten Schwulen passen. Sicher, das ist vor allem kulturell bedingt, aber es entbehrt einer gewissen Komik nicht.

Letzten Endes ermöglicht der CSD vor allem eines: Wahrnehmen anderer Menschen als Menschen. Jenseits der schönen Schubladen, in die man sie sonst so gerne gesteckt hätte. Wer einfach einmal neben einem Transsexuellen oder in einer Gruppe heiterer Lesben steht und gemeinsam eine Bratwurst und ein Kölsch verdrückt, der verliert die Scheu der Ahnungslosigkeit, und das christliche Abendland (bzw. das islamische Morgenland) geht darüber auch nicht unter.

À propos christliches Abendland: Im Rahmen des CSD fanden gleich mehrere Gottesdienste statt, vor allem auch durch Anregung und unter Gestaltung durch die LGBTIQ-Community. Ich finde es bemerkenswert, dass hier Menschen die Arme ausstrecken nach einer Religion, deren Vertretern sie - weiß Gott - wenig gutes zu verdanken haben. Schritte der Versöhnung, die dem CSD seinen Wert verleihen.