Mittwoch, 26. September 2012

Sakrament nochamoi!

Die katholische Kirche legt sich ein Ei. "Sakramente nur für Steuerzahler" titeln die heute-Nachrichten. Wer sich den Artikel durchliest und sich mit der Sache beschäftigt, kommt ins Nachdenken, denn an diesem Fall entzünden sich gleich mehrere Feuer, die schon seit langem brodeln.

Staat und Kirche - getrennt, oder doch nicht?

Eine strenge Trennung zwischen Staat und Kirche gibt es in Deutschland nicht, und für viele ist die Kirchensteuer der erste Beweis dafür. In der Kirchensteuer vermischen sich hoheitliche Aufgaben des Staates mit den organisatorischen Bedürfnissen der Amtskirchen.

Aber nicht diese Vermischung schürt den eigentlichen Unmut. Es ist die kleine, aber beschauliche Zahl, die auf der Gehaltsabrechnung auftaucht. Deutschland bildet sich viel darauf ein, eine Dienstleistungsgesellschaft zu sein, und so verwundert die Frage nicht:

Was kriege ich eigentlich für meine Kirchensteuer?

Die Amtskirchen nutzen die Kirchensteuer, um Löhne und Gehälter ihrer Angestellten zu zahlen, Gebäude intakt zu halten (damit "die Kirche im Dorf bleibt"), soziale und humanitäre Aufgaben wahrzunehmen. Nun gibt es zwei Sorten von Menschen, die Mitglieder der Kirche sind:

VolksgläubigeReligiöse
... gehen bestenfalls zu Weihnachten, zu Taufen, Beerdigungen und zu Gottesdiensten anlässlich einer Trauung in die Kirche und haben sonst kaum Berührungspunkte mit der Institution.... sind teilnehmend, oft auch aktiv. Als dem-Glauben-zugewandte tragen sie das inhaltliche Gerüst der Kirchen.

Volksgläubige Menschen bilden die absolute Mehrheit der Kirchenmitglieder, aber beide Gruppen fühlen sich wechselseitig benachteiligt. Die Religiösen ärgern sich über die "desinteressierten Volksgläubigen", die nur "aus Spaß und Lifestyle" die Kirchen aufsuchen und eigentlich keinen Bezug zum Glauben zu haben scheinen. Sie, die immer da sind und mitarbeiten, empfinden sich als Dienstleister für die, die ohne persönliches Anliegen zu Sonderanlässen auftauchen, den Glauben für ihre Wünsche zu instrumentalisieren scheinen und dreist Forderungen stellen.
Die Volksgläubigen wiederum sehen sich als zahlende Kunden, die einen Anspruch darauf haben, in wichtigen Lebensphasen die Dienste von Pfarrer und Kirche in Anspruch nehmen zu dürfen. Abgesehen von wenigen Gelegenheiten, bei denen sie die Kirchen aufsuchen, haben sie ja nichts von ihren Zahlungen.

Sind Sakramente käuflich? Was ist die Kernaufgabe des Glaubens?

Beide Gruppen sitzen einem Irrtum auf. Dieser Irrtum zeigt sich, wenn man sich auf die Kernaufgabe christlichen Glaubens konzentriert: Die Ehrung Gottes. Aufgabe von Kirche ist es, Gott durch ihr Denken und Tun Ehre zu machen.

Irrtum Nummer 1: Ich zahle, also kriege ich

Als volksgläubiger Mensch muss man sich die Frage stellen lassen, ob das eigene Handeln mit der Kernaufgabe in Einklang steht. Ehrt es Gott, wenn er (oder sie?) die meiste Zeit des Jahres außen-vor bleibt, und nur zu Weihnachten ein Rolle als Verschönerung spielt? Ehrt es Gott, wenn man die Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern meidet? Ehrt es Gott, wenn ich aus dem Glauben an das Gandengeschenk einen Glauben an die Gnadenware mache? Nein - es ehrt Gott nicht. Wenn Glauben nicht Herzensanliegen und Lebensanker ist, dann hat man sich den Reichtum des Glaubens längst verspielt. Daran ändert dann auch die Kirchensteuer nichts, und wenn sie noch so hoch ist. Die Kirchensteuer ist und bleibt faktisch ein Mitgliedsbeitrag im "Verein" Amtskirche, und es ist dieser "Verein", der die Regeln festlegt, was damit geschieht. Ohne Glaube sind Sakramente lediglich hohles Ritual.

Irrtum Nummer 2: Ich zahle nicht, also kriege ich nicht

Als Gläubiger muss man sich dem Problem von der anderen Seite nähern. Die Kirchen werden kleiner. Sie schrumpfen. Unsere Gesellschaft ist in weiten Teilen längst von Beliebigkeit geprägt. Ehrt es nun Gott, wenn ich die Menschen wegschicke, die einen Segen, einen Trost, einen Zuspruch wünschen? Ehrt es Gott, wenn wir die Wahrheit für uns pachten und selbst entscheiden, wer würdig ist, und wer nicht? Ehrt es Gott, wenn ich aus dem Glauben, der alle einlädt, einen Glauben an Vereinsmitgliedschaft und Ausgrenzung mache? Nein - es ehrt Gott nicht. Wenn Glauben nicht Platz hat für andere, wenn Institution über Liebesgebot steht, dann hat man sich den Reichtum des Glaubens längst verspielt. Daran ändert dann auch ein Ausschluss von Nichtmitgliedern an den Sakramenten nichts, und wenn man noch so streng ist. Erwartet man denn wirklich, dass jemand es sich durch diesen Druck anders überlegt und in der Kirche bleibt? Ist denn damit Glaube gerettet oder irgendetwas verbessert? Nein.

Was soll nun werden?

Die Kirche steht vor Veränderungen, vor großen Veränderungen. Menschen werden sich daran gewöhnen müssen, dass es nicht mehr genügend Pfarrer und Pastoren gibt, dass die nächste Amtsgemeinde weit entfernt ist, dass sich der Gedanke an eine dienstleistende Kirche als Fantasterei entpuppt. Vielleicht werden sie sich sogar daran gewöhnen müssen, dass es keine Kirche mehr gibt, wenn sie nicht selbst Teil davon sind. Kirche kann nur genau das sein, was ihre Mitglieder daraus machen. Deswegen schrumpfen die Kirchen im Moment, vielleicht ist es ein Gesundschrumpfen. Das Debakel um Sakramente und Kirchensteuer ist ein unrühmlicher Meilenstein auf dem Weg einer Kirche, die auf die harte Tour lernen muss, dass auf kurz oder lang alles an ihr absterben wird, was Menschen nicht für Jesus Christus begeistert.

Freitag, 21. September 2012

Irgendwo in Mülheim

"Höret zu! Siehe, es ging ein Sämann aus, zu säen. Und es begab sich, indem er säte, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel unter dem Himmel und fraßen's auf. Etliches fiel in das Steinige, wo es nicht viel Erde hatte; und ging bald auf, darum daß es nicht tiefe Erde hatte. Da nun die Sonne aufging, verwelkte es, und dieweil es nicht Wurzel hatte verdorrte es. Und etliches fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen empor und erstickten's, und es brachte keine Frucht. Und etliches fiel auf ein gutes Land und brachte Frucht, die da zunahm und wuchs; etliches trug dreißigfältig und etliches sechzigfältig und etliches hundertfältig. Und er sprach zu ihnen: Wer Ohren hat, zu hören, der höre!" (Markus 4, 3-9)

Dienstag, 18. September 2012

Islamkritische Filme und Meinungsfreiheit

OK, der Hund hat gebellt. Die Filmemacher des Anti-Islam-Propaganda-Films wollten provozieren, und es ist ihnen gelungen. Toll für sie. Wenn man vom Film auf seine Macher und Darsteller rückschließen kann, dann muss man diese vor allem als unglaublich dumm und unerwachsen beschreiben.

In Demokratien mit Meinungsfreiheit dürfen nun allerdings auch dumme, unerwachsene Menschen ihre Meinung äußern. Das ist auch toll. Allerdings darf sich keiner dran stören, wenn der Film dann auch heftig kritisiert wird für das, was er ist: Unglaublich dumm und unerwachsen.

In islamischen Ländern gibt es keine Demokratien mit Meinungsfreiheit. Wenn sich die Menschen dort schrecklich ärgern und wütend werden, dann ist das übrigens auch toll. Es verwundert mich deswegen auch nicht, wenn diese Länder den Film bewusst sperren. Das ist eine Maßnahme zur Sicherung der inneren Sicherheit in Ländern, die mit den radikalen Bevölkerungsmassen überfordert sind.

(Ganz nebenbei: Ohne Aufstände hätte sich niemand für den Film interessiert. Gratulation an alle Aufständischen, ihr habt das Gegenteil von dem bezweckt, was ihr wolltet!)

Was mir bei der gesamten Debatte über den Film und seine Auswirkungen bitter aufstößt ist die Vernachlässigung der getöteten Botschaftsmitarbeiter. Statt über diesen Mord zu sprechen, wird der alberne Film thematisiert, der nun wirklich keinen Gedanken wert sein dürfte.

Was aber ist mit den Mördern? Wer gibt einem Menschen das Recht, einen anderen Menschen stellvertretend für Taten einer Handvoll seiner Landsmänner zu ermorden? Wer gibt einem Menschen das Recht, einen anderen Menschen wegen einer Meinung, und sei sie auch beleidigend, zu töten?

Wenn es dafür eine Rechtfertigung gibt - sei es Religion oder Gesetz - dann ist sie dumm und unerwachsen. Wenn es dafür aber keine Rechtfertigung gibt... warum hört man nichts davon, dass die Mörder zur Verantwortung gezogen werden?

Mittwoch, 12. September 2012

Wacht auf...

... denn eure Träume sind schlecht!
Gelebte Sozialkritik in unmittelbarer Nähe der Albrechtsburg zu Meißen. Graffiti, die bei Hauseigentümern unbeliebteste Kunstart, in ihrer grünsten Form. Was wohl Lessing hierzu gesagt hätte?

Donnerstag, 6. September 2012

Follow me!

Das Internet hat in den letzten zehn Jahren einen Wandel hingelegt. Man sagt, es sei jetzt "sozialer" geworden.

Die Wikipedia meint dazu:
Das Wort sozial (von lat. socius‚ gemeinsam, verbunden, verbündet‘) bezeichnet wechselseitige Bezüge als eine Grundbedingung des Zusammenlebens, insbesondere des Menschseins (der Mensch als soziales Wesen).
Das soziale Internet, eine Grundbedingung des Zusammenlebens? Spannende Frage. Einerseits bietet das Internet viele Möglichkeiten:
  1. Man kann auf günstige Weise Nachrichten austauschen.
  2. Man kann Menschen gleicher Gesinnung finden.
  3. Man kann sich informieren.
  4. Man kann Freunde über Distanz halten.
Anderseits sind die Stärken zugleich auch die Schwächen:
  1. Man wird von Nachrichten überfrachtet.
  2. Man verpasst Menschen, die einen durch ihre Andersartigkeit bereichern.
  3. Man bleibt auf einseitige Informationen hängen.
  4. Freunde über Distanz nehmen einen nicht in den Arm.
Was das soziale Internet angeht, so scheint es mir eher eine kommunikative Einbahnstraße zu sein. Die meisten sozialen Netzwerke sind eigentlich gar nicht darauf ausgerichtet, "wechselseitige Bezüge" herzustellen. Vielmehr geht es darum, die eigene Meinung noch lauter in den Äther zu pusten. Also wird "reposted", "getubet", "reshared", "gefollowt", "gestumblet", "geadded", "geplust", "gescrobblet" und wie sie alle heißen. Die wenigen Möglichkeiten zur Interaktion sind dann oft schlecht durchdacht. So verkommen Kommentarlisten zu Beschimpfungsorgien einzelner, die sich in der Regel noch nicht mal Mühe geben, einander zu verstehen, sondern lieber ihre selbstverliebte Meinung propagieren und sich gerne reden hören.

Wer sich die Liste der sozialen Netzwerke anschaut kommt schon ins Fragen, ob die Welt dadurch wirklich sozialer geworden ist. Selbstkritik: Mein Blog ist auch höchstgradig einseitig und ballert dich mit meinen Meinungen zu. Nicht sonderlich sozial, dafür gibt's keine Credits.

Ist das Internet also asozial? Nein, da schließe ich mich Sookee an:
"Assi" ist nicht cool, sondern "nicht sozial".
Sozial zu sein, das ist keine Eigenschaft eines technischen Systems. Es ist eine Eigenschaft des Menschen. Das Internet als solches kann also weder sozial, noch asozial sein.

Wenn wir nicht wollen, dass das Internet menschenfremd wird, dann werden wir uns wohl oder übel auf unser Menschsein konzentrieren müssen. Was macht uns sozial? Mitgefühl und Verständnis.

Zuhören wäre oftmals wichtiger als reden.