Freitag, 20. Juli 2012

Hohegedicht

Will ich an etwas schönes denken,
ich denk' an einen Morgen,
an dem sich meine Blicke auf dich senken,
auf dich, an dessen Schultern ich mich eben noch geborgen.
Ich sehe in die erdenbraun
betörend schönen Augen,
und kann nicht aufhör'n hinzuschau'n,
und kann mein Glück kaum glauben.
Alles an dir erscheint mir vorteilhaft:
Dein scheuer Lippenbogen -
wie ein Lindenblatt -
der Küsse Wohnstatt, Quelle liebesheißer Kraft.
Darüber wandert, wie ein Höhenpfad,
die treue Nase mit dem leichten Knick,
und drunter, wie bei Nacht das Steppengras,
sprosst auf dein Bart. Mann - du bist schick!
Ich streune durch die Wiesen, wo ich einen Kuss vergaß,
zu deinen edlen roten Wangen.
Und wie ein Löwe nahe ich mich ihnen, bis auf einen Atemhauch.
Bin hoffnungslos von deinem würzig-süßen Duft befangen,
ich flüstere: Ich liebe dich! Und du sagst: Ich dich auch.
Dann muss mein Herz an deinem Herzen ruhen,
und meine Stirn lehnt an die deine,
um sich darauf an deiner ebenklaren Augenbraue gut zu tun.
Dein kurzes Haar, wie schwarze Seide,
spielt um die Finger, wenn ich über deinen Nacken streife,
und meine Hand an Amors Bogen,
deinem Schlüsselbein, auf deiner Brust, nicht fern von deinem Herzen weide.
Wirst du mich kraftvoll an dich pressen,
bin ich nicht um ein Glück betrogen.
Ist doch die Seele tausendschöner noch bemessen,
als dein bebend heißer Leib.
Nach beidem steht mein Sinn:
Dein Körper ist der Liebe süßer Zeitvertreib,
doch ist's der ganze Mann, mit dem ich
unvergleichlich
glücklich bin.

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