Ventil meiner flüssigen und überflüssigen Gedanken
Samstag, 23. März 2019
Donnerstag, 28. Februar 2019
Karneval
Karneval ist gar nicht mal so bunt.
Lappenclown, Streifenclown, Punkteclown... ein Königreich für einen Hund.
Karneval, dass ist ein "Guck mal, ich hab das Kölner Wappen im Gesicht",
die Stadt an sich interessiert das freilich nicht.
Es gibt Aldi-Marienkäfer, Aldi-Einhorn, Aldi-Giraffe, Aldi-Tiergestalten,
man kann sie alle gar nicht auseinanderhalten.
Die Frauen tragen, worin sie im letzten Jahr auch schon posierten:
verschiedene Varianten von "Prostituierten".
Das wären: Mieze mit Minirock und Strapsen, Nonne mit Minirock und Strapsen, Bierdosenhutprinzessin - mit Minirock und Strapsen!
Nicht mal die Sexarbeiterinnen würden so aus ihren Nähten platzen.
Karneval, du Fest der billigen Bedeckungen,
der Teufelshörner, Bömmelchen, Krönchen, und sonstiger Frisuraufsteckungen.
Karneval ist Bier vor Vier,
Karneval ist "Kölle, dat sin wir",
Karneval ist Kotze unter allen Sitzen,
Karneval ist, im Aldi-Giraffenkostüm am Bahnhof sitzen,
Karneval ist widerlich farbiges Zuckergestreu,
Karneval macht zum Umzug die Pferde scheu.
Karneval ist Kölsch im Atem,
Karneval ist "ich kann das Wasser nicht halten".
Eigentlich ist Karneval kaum zu ertragen -
wollen wir uns trotzdem zum Umzug wagen?
Die Armut
Die Armut riecht nach Weichspüler und nach Moschus. Dazwischen riecht sie nach Tabak, denn sie muss überall rauchen, weiß selber nicht warum. Überhaupt ist die Armut nicht gerne allein, in Gruppen ist sie die lauteste. Zugleich ist die Armut sehr still, denn sie fürchtet sich davor, dass jemand sie versteht.
Die Armut ist das ganze Jahr über sehr sportlich, zumindest zieht sie sich so an. Im eisigen Winter trägt sie kurze dünne Sportsocken, und im Hochsommer legt sie die Trainingsjacke nicht ab.
Die Armut hat ein großes Smartphone, aber sie ruft niemanden an für ein Gespräch. Und redet man mit ihr, dann hat sie oft nicht viel zu sagen, das wäre ihr auch unangenehm.
Sie muss sich schmücken, ihre Fingernägel ganz besonders. Ihre Haare sind sehr gepflegt, und ihr Gesicht.
Die Armut geht nie aus, dennoch sieht man sie andauernd etwas essen unter Menschen. Ihren Hunger stillt es kaum. Die Armut passt nicht so recht zu sich selbst, aber sie bemüht sich sehr ums Gegenteil. Manchmal, wenn ich bei mir bin, tut sie mir doch sehr Leid.
Donnerstag, 14. Februar 2019
Babylon
Eine greise Kurdin, das Haar in weißes Tuch gehüllt, kehrt mühsam gebeugt die Asche vom Sims. Der sonnengelbe Staubwedel in ihrer linken Hand, Sklavenzepter. Ihr hochbetagter Mann wischt pflichtbewusst die Pforte.
Ihre Kinder, Babylon, hast du des Nachts verschlungen. Und diese beiden, ihre Eltern, sind gekommen, deine Schuld zu tilgen.
Donnerstag, 23. August 2018
Ich will kein "offenes Gespräch" mit dir.
Viel lieber mag ich mich - so wie du dich - verschanzen.
Ich hatte offen von um Acht bis Vier.
Jetzt will ich um den heißen Brei rumtanzen.
Und überhaupt, du seist ja auch für jeden offen,
solange er nicht über deine Schwelle tritt.
Jedoch, auf Schwellen bin ich bei dir überall getroffen,
und meine armen Füße machen nicht mehr mit.
Die vielen "offenen" Gespräche, die nur mich bewegen,
sind wasserdünn und machen mich nicht satt.
Du kannst sie gerne mit dir selber pflegen,
oder mit irgendjemand andrem, der schon deine Meinung hat.
Ein jeder suche selbst nach seinen sieben Plagen.
So trägt die Frau den Rock, der Mann die Hosen.
Es stimmt ja auch, du kannst sie tragen,
all deine seidenweichen Zwangsneurosen.
Vor allem will ich nicht mehr hören, ich hätte dich verlassen.
Als hätt' ich nie an deine Tür getrümmert;
du hast mich nur nicht eingelassen.
Die Zeit ist um. Ich bin soweit, dass es mich nicht mehr kümmert.
Schmier ihn in deine purpurn abgedeckten Haare,
den ach so "offenen" Dialog.
Der Staub ist von den Füßen abgeschüttelt, und die Jahre,
in denen es mich zu dir zog.
Donnerstag, 26. April 2018
Nerdcore comedy | Ze Frank
Auch die anderen Videos von Ze Frank bei YouTube sind großartig - leider nur auf Englisch.
Montag, 9. April 2018
Verschwunden
oder jemand anderes wird sie schließen.
Was einst dein war wird dir nicht gehören,
an dem Tag, an dem sie dich nach draußen führen.
Deine Gedanken werden nicht mehr bei dir sein,
und du wirst sie auch nicht erkennen.
Du ziehst in ein kleines Zimmer ein,
es passt zu deiner Welt, denn sie ist plötzlich selber klein.
An ellenlangen Nachmittagen
sitzt du jetzt mit anderen in Gruppenräumen.
Du konntest sie schon früher alle nicht ertragen,
doch danach wird dich nie mehr jemand fragen.
Da sitzen sie, die du dein Leben lang verachtet hast,
und löffeln Suppen mit den selben Zitterhänden.
Sie nennen es ein Heim, doch du fühlst dich als ungebetener Gast.
Gefangen in der Zeit mit Menschen, die du heimlich hasst.
Sie sind ja immer noch so dumpf und roh und schroff,
darüber täuscht das Alter nicht hinweg.
Doch du, ein zarter, geistversunkener Mensch so oft,
hast, dass du sie nie wiedersehen musst, gehofft.
Nun liest man ihnen Bücher vor, stellt ihnen Hörgeschichten an.
Ihnen, die ihr Leben lang kein Buch besaßen!
Jedoch auch dir, der früher Buch um Buch verschlang,
und sich jetzt doch an keines mehr erinnern kann.
Sie werden mit euch musizieren gegen Vier,
dann singt ihr Lügenlieder von der heilen Welt.
Ihr werdet alle heillos euch verlieren,
sie sich im Lied, du dich in dir.
Am Abend suchst du lang nach deinem Zimmer,
nein, nach dem Raum, wo man dich schlafen lässt.
Doch wo du dachtest, dass es sei, da ist es nimmer.
Es wird um Zehn. Du suchst noch immer.
Morgens stehender Geruch von trockenem Urin,
er muss aus einem Nachbarzimmer stammen.
Ein Licht geht an, die Pflegerin tritt zu dir hin.
Es gibt kein Nachbarzimmer. Du schwimmst selbst darin.
Da möchtest du nach Hause gehen.
Du willst etwas, das dir allein gehört, dass dich an dich erinnert.
Heut warst du Gast. Genug! Du hast genug gesehen.
Und überhaupt, du musst doch nach den Kindern sehen.
Kurz nach dem Frühstück hast du einen sonnenhellen Augenblick.
Was ist das, was dich an die Würde bindet?
Du hängst an ihr, doch auch am Galgen hängt ein Strick.
Lass sie zurück.