Samstag, 11. Dezember 2010

Wertanalyse

Mein Arbeitgeber ist Teil einer Aktiengesellschaft, und diese veranstaltet jedes Weihnachten u.a. eine Art Unternehmensrunde, in der allen Angestellten aktuelle Geschäftszahlen, Umsätze, Entwicklungstrends, Organisationsentscheidungen und Tendenzen vorgestellt werden. Dabei werden die Angestellten auch auf eine Art gemeinsamen Kurs eingestimmt, es soll eine "Firmenidentität" entstehen.

Auch dieses Wochenende war es wieder soweit. Abgesehen von den üblichen Informationen werden jedes Jahr auch einzelne Mitarbeiter für ihre Verdienste gewürdigt. Wie es das Rad des Zufalls so will bin ich nun gewürdigt. Meine Reaktion darauf war zunächst Schockierung, gefolgt von Wut, die über den Zustand der Lethargie letztendlich in Trauer mündete.

Es berichtete jemand, der mich gar nicht kennt, von "innovativen" Leistungen, die ich so nicht abgab, und der meine Arbeit auch nicht einschätzen konnte. Der Reiz erneuernder Innovation wohnt meiner Arbeit nicht inne, letztendlich tue ich lediglich, wofür ich bezahlt werde und blende meine eigenen Erwartungen oft genug dabei aus. Wie soll ich dieses Stück Dankeschön nun glauben können? Es kommt bei mir als ein dahergesagtes, unaufrichtiges, allein der Pflicht entsprungenes Wort an, als schuldbewusstes Pflaster für Überstunden.

Die Urkunde wurde begleitet von einer Flasche Champagner - für jemanden, der nie (und das ist allen meinen Kollegen bekannt) Alkohol trinkt und dies auch bewusst äußert. Zynisch und grotesk mutete mir das an, denn für mich zeigte sich darin, dass sich um mich als Person überhaupt kein Gedanke gemacht wurde. Andernfalls hätte ein (wesentlich günstigerer) Büchergutschein eine echte Alternative dargestellt.

Kurzum: Die "Würdigung" hat mir klargemacht, dass ich als Mensch mit meinen Stärken und Schwächen für meinen Arbeitgeber nicht zähle. Ich fühle mich wie eine Ressource, die marktwirtschaftlich genutzt, die optimiert wird, nach deren menschlicher Qualität aber kein Hahn kräht.

Nun ist mir bewusst, dass wir in einer Marktwirtschaft leben - und das bedeutet konkret, dass die einzige Bindung zwischen meinem Arbeitgeber und mir in dem Kompromiss besteht, der aus meinen Lohnvorstellungen und seiner Zahlungsbereitschaft für meine Arbeitszeit entsteht. Und dennoch scheint mir das nicht genug gewesen zu sein, es ist mir zu kalt, kann mir nicht ausreichen.

Ich brauche und will keine Auszeichnung, kein Opium für's Volk. Ich brauche nicht - aber wünsche mir - das Wort "Dankeschön" von den Menschen, mit denen ich arbeite. Warum höre ich das so selten? Und: Sage ich selbst oft genug Dankeschön?

Ich versuche, aufrichtiges Interesse an meinen Mitmenschen zu entwickeln. Und ich wünsche mir im Gegenzug Ehrlichkeit. Vielleicht ist es das, was ich als unverständliche Kränkung und innere Frage erlebe. Warum kommt das Wort Dankeschön nicht von den Menschen, von denen es mir tatsächlich etwas bedeuten würde? Und warum ist mir das nicht egal?

1 Kommentar:

  1. Mhmmmmmmmmm - echt schwieriges Thema !?!
    ...nur gibt es überhaupt mehr als eine "Hand voll" Arbeitgeber, denen es gelingt Leistung bedeutend besser zu würdigen???

    Da muss ich doch an die Vorgehensweisen in den sozialistischen Zeiten in der "alten DDR" denken:

    Es musste jedes Jahr mindestens ein Mitglied einer Brigade oder auch mehrere ausgezeichnet werden und natürlich auch ein Kollektiv von vielen (wenn das Unternehmen größer war)...
    Ungeschriebenes Gesetz war, dass es da schon eine "gewisse Reihenfolge" gibt und jeder in größeren Abständen wieder einmal dran ist, die gewisse Flasche Sekt oder die 15 Mark(natürlich sinnbildlich) in Enpfang zu nehmen...

    Dies hatte natürlich mit einer ehrlichen Anerkennung meist nicht viel zu tun.
    Andererseits war so ein kleiner (od. größerer) Geldschein als "Zusatzeinkommen" schon lang vorher eingeplant und half so mancher Familie dringende Anschaffungen etwas eher vornehmen zu können.

    Außerdem frage ich mich doch, ob es andere Arbeitgeber (z.Bsp. kirchliche) sehr viel besser hinbekommen ?!?
    Na, jedenfalls habe ich selbst bei der Beendigung meiner Tätigkeit bei einem kirchl. Arbeitgeber einen Büchergutschein über 60,00 Euro erhalten, worüber ich mich auch richtig gefreut habe (und nicht nur deshalb, da man ja dem eigenen Büchertisch der Kirchgemeinde auch wieder den Umsatz erhöht...).

    Ob Dein Arbeitgeber dies allerdings in Zukunft anders handhaben wird - wohl eher fraglich...

    Also, mein Rat an Dich: entweder die Flasche Champagner selbst aus Frust trinken ***schmunzel*** oder die Flasche weiterverschenken an Bürger, die sowas mögen...

    Dafür gehst Du dann mal gemütlich ein gutes Buch kaufen in dem Wissen, dass Du vielleicht jemanden eine Freude mit "dieser verschenkten Bulle" machen konntest...

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